Bürokratischer Übereifer bei 1’000 KMU-Parzellen
Schlummern unter 1’000 Gewerbegrundstücken tatsächlich schädliche Stoffe? Dieses Thema sorgt bei vielen Luzerner KMU für Ärger. Die AWG ist mit der Haltung der Regierung zu einem Vorstoss von Michael Kurmann «not amused». Immerhin streut die Verwaltung «Asche auf ihr Haupt»!
Der Kanton Luzern nimmt eine Neubeurteilung des «Katasters der belasteten Standorte» (KbS) vor. Das heisst, er will wissen, ob es nicht doch noch mehr Parzellen mit schädlichen Stoffen im Boden gibt als bisher angenommen. Denn – rein statistisch – hat der Kanton Luzern im schweizweiten Vergleich «zu wenig» belastete Standorte. Deshalb hat der Kanton im Frühling 850 Grundeigentümer darauf hingewiesen, dass es sich bei ihren Parzellen eventuell um Standorte mit gefährlichen Materialien handelt. «Das sorgte bei vielen Gewerbetreibenden für Verunsicherung und Ärger», sagt die Rechtsanwältin Barbara Haas-Helfenstein als AWG-Vorstandsmitglied. Mehrere Betroffene hätten sich an die AWG gewandt. «Unverständlich ist für viele KMUler insbesondere, dass Grundstücke, die vor einigen Jahren eine Vorankündigung erhielten, erneut einer Neubeurteilung unterzogen wurden», sagt Haas-Helfenstein. Folge davon ist, dass Projekte oder Verkaufspläne auf diesen Parzellen möglicherweise für Jahre blockiert sind.
Vorstoss im Kantonsparlament
Der Dagmerseller Unternehmer und Kantonsrat Michael Kurmann, ebenfalls Vorstandsmitglied der AWG, brachte das Thema mit einem Vorstoss in den Kantonsrat. Er stellt allerdings klar, dass das Umweltschutzgesetz und die Pflicht zur Sanierung von belasteten Böden und Grundstücken nicht in Frage gestellt werden. Doch er und Mitunterzeichnende verlangen bessere rechtliche, kommunikative und finanzielle Rahmenbedingungen. «Wir haben den Eindruck, dass der bürokratische Behördeneifer in mehrerer Hinsicht übers Ziel hinausgeschossen hat.» Mit seinem Vorstoss geht es Kurmann um «mehr Sicherheit und Transparenz für die betroffenen Eigentümer.»
Antwort der Regierung ist nur teilweise befriedigend
Aus der jetzt vorliegenden Antwort auf den Vorstoss liest die AWG heraus, dass die Regierung ein gewisses Verständnis für die Verunsicherung und Verärgerung hat. So gibt die Regierung zu, dass der kleine Anteil belasteter Flächen im schweizweiten Vergleich aufgrund mangelnder Ressourcen und Priorisierung erklärbar sei. Der Kataster der belasteten Standort wurde vor über 25 Jahren eingeführt. Dass jetzt im Nachhinein so viele Standorte "nachevaluiert" und bewertet werden müssen, ist stossend und verursacht bei den Betroffenen einen grossen Aufwand. Die AWG macht aber nicht einfach Verwaltungsbashing, sondern hält anerkennend fest, dass die Regierung die Information und Kommunikation über die Massnahmen und die rechtlichen Möglichkeiten für verbesserungswürdig hält. «Wir schätzen, dass die Regierung beziehungsweise die Dienststelle Asche auf ihr Haupt streut», sagt Michael Kurmann.
Hoher Anteil von 40 Prozent wehren sich
Wirklich befriedigt ist der AWG-Vorstand von der Antwort allerdings nicht. Die Statistik von 60 Prozent rechtskräftig eingetragener Standorte ist etwas gar schönfärberisch ausgefallen. Die AWG liest die Statistik kritischer:
- So schreibt die Regierung, dass «nur rund 10 Prozent der Parzellen zu Unrecht in den Kataster eingetragen worden wären. «10 Prozent von 1’000, das ist viel», konstatiert Barbara Haas-Helfenstein.
- Noch unschöner wird das Bild, wenn man die 10 Prozent dazuzählt, die sich gewehrt und mindestens zum Teil Recht bekommen haben. Wobei die Kosten für die Teilanpassungen von den Grundeigentümern übernommen werden müssen.
- Schliesslich kommen 20 Prozent Betroffener hinzu, die sich derzeit noch wehren, Unterlagen nachliefern oder eine Feststellungsverfügung verlangen.
«Dieser Anteil von gesamthaft 40 Prozent ist kein Ruhmesblatt», so Michael Kurmann. Deshalb wird die AWG die Arbeit der zuständigen Dienststelle kritisch im Auge behalten und den nächsten Jahresbericht und Statistik aufmerksam studieren. «Wir erwarten eine effiziente und rasche Bearbeitung der Fälle und eine angemessene Unterstützung», so Kurmann.